Die Vokalkunst der Joan La Barbara

LaBarbara CDExperimentelle Vokalmusik gibt es seit den 1950er Jahren in unzähligen Schattierungen, doch so überzeugende Großformate, wie sie Joan La Barbara in den vorliegenden drei Stücken aus den Jahren 1976-81 nur mit ihrer Stimme und wenigen technischen Hilfsmitteln geschaffen hat, sind eine Seltenheit. Dass sie auch im Wohnzimmer optimal zur Darstellung kommen, verdankt sich der hohen technischen Qualität des Remastering. Mode Records produziert solche klanglich herausfordernden Stücke heute als CD im unkomprimierten 48 kHz/24 Bit-Sound und parallel dazu auf Blu-ray audio mit ebenso hochwertiger Klangqualität und in Fünfkanaltechnik. Das Album trägt damit seinen Titel „The Early Immersive Music of Joan La Barbara“ zu Recht – der Hörer fühlt sich als Teil des raffiniert strukturierten Klangraums.

Die drei von Mode Records damit aus der Versenkung hervorgeholten Stücke  sind in einem Zwischenbereich von Komposition und Vokalperformance mit Live-Elektronik angesiedelt. Die Überlagerung der individuell gestalteten Vokalaktionen auf acht Spuren in „as lighting comes, in flashes“ ist von beeindruckender Transparenz: ein räumlich tief gestaffelter, unerhört lebendiger, in steter Veränderung begriffener Klangstrom. In „Autumn Signals“ werden die Vokalaktionen vom Synthesizer in low-tech-Manier verfremdet und sind räumlich inszeniert; Joan La Barbara nennt hier als Inspirationsquelle Merce Cunninghams Choreografien.

Die halbstündige Komposition „Cyclone“ erzeugt mithilfe der Elektronik die Suggestion eines gewaltigen Wirbelsturms. Das virtuelle Naturschauspiel lässt die „menschlichen“ Einsprengsel der Stimme und der Perkussionsinstrumente wahrhaft klein erscheinen, die Diskrepanz zwischen der individuellen Aktion und dem Zeit und Raum sprengenden Energiestrom der Windgeräusche verleiht dem Stück einen Zug ins Erhabene. Sage noch einer, Elektronik wecke keine Emotionen.

The Early Immersive Music of Joan La Barbara. CD und Blu-ray audio, Mode Records 298.

Eine leicht veränderte Version ist in  MusikTexte Nr. 156 erschienen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.