Dieses Gespräch mit Helmut Lachenmann über die Alpensinfonie von Richard Strauss entstand im Hinblick auf ein Konzert des Ensemble Modern Orchestra beim Lucerne Festival 2005. Auf dem Programm stand neben der Alpensinfonie auch Lachenmanns „Ausklang“.
Helmut Lachenmann, es war Ihre Idee, die Alpensinfonie von Richard Strauss neben Ihre Komposition „Ausklang“ für Klavier und Orchester zu stellen. In der Konfrontation drängt es sich geradezu auf, sie als eine Inkarnation dessen zu hören, was Sie einmal den „ästhetischen Apparat“ genannt haben: die Gesamtheit der gesellschaftlichen Bedingungen für die Kunstproduktion einer Epoche, in diesem Fall der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Strauss wird oft nachgesagt, er habe sich in diesem Apparat gemütlich eingerichtet und seine Musik sei entsprechend unreflektiert, was ihren Zeitbezug angehe.
Helmut Lachenmann: Die Alpensinfonie ist keine unreflektierte Musik. Sie gibt sich ungebrochen, aber das ist etwas anderes als unreflektiert. Ich glaube, dass Richard Strauss ganz genau gewusst hat, dass es zu Ende ist mit dem Weltbild, das er hier vermittelt hat. Im „Mann ohne Eigenschaften“ sagt Musil über den Zeitgeist des jungen 20. Jahrhunderts einmal sinngemäss: Die einen haben neue Luft gewittert, und andere haben im Wissen, dass sie ausziehen müssen, noch einmal im alten Gebäude so richtig gehaust. Strauss macht das mit einem riesigen Orchesterapparat. Diese Art Abschiedsfeier von einem nur noch scheinbar intakten, zur Attrappe gewordenen Weltbild ist für mich nicht weniger apokalyptisch und hellsichtig erhellend als jene Musik, die den Bruch vollzieht, so dass musikalische Sprache aus den Trümmern der alten sich neu definiert, wie wir es bei Schönberg, Berg, Webern, aber auch bei Charles Ives erlebt haben.
Ein Abschied in Melancholie. Das erinnert an jene Stelle im „Rosenkavalier“ kurz vor dem Schluss, wo die grosse Desillusion die Personen überkommt und die Marschallin feststellt: „Ist halt vorbei.“
Oder auch Abschied in gespenstischem Jubel. Wir sollten lernen, hellhörig zu hören, statt aufgeklärt die Nase zu rümpfen. Strauss war – mit all der zynischen Abgebrühtheit und Geschäftstüchtigkeit, die man ihm nachsagt und die ihn von anderen bedeutenden Komponisten von Händel bis Berio nicht unterscheidet – ein besessener Musiker, und Musik war für ihn identisch mit dem verfügbaren ästhetischen Apparat seiner Zeit, den er bis zum eigenen Überdruss beherrschte. Die Alpensinfonie zeigt das für mich auf beispielhafte Weise und noch deutlicher als seine anderen Werke einschliesslich des „Rosenkavalier“. „Elektra“ oder „Salome“ waren katastrophisch geschüttelte Werke, geniale und folgenlose Schauermärchen für den Bürger. Aber es gibt bei Strauss eine Form von, wie ich finde, lehrreich-gespenstischer Emphase im Namen eines längst abgedankten Weltbildes. Und diese Situation ist bis heute noch aktuell. Wir leben noch immer unter dieser philharmonischen Geborgenheitsglocke. Von dort aus blicken wir im besten Fall „aufgeschlossen“ auf eine radikal gewandelte Wirklichkeit und wagt sich unser Geist in fremde Klangwelten und kommt doch nicht vom Fleck. Deshalb ist der moralisch erhobene Zeigefinger bei Strauss so lächerlich wie der aufgeklärte Augenaufschlag bei Mahler und Schönberg. Diese Musik sollte in neuem Kontext neu gehört und neu verstanden werden, deshalb steht sie neben meinem „Ausklang“ auf dem Programm.
Die Alpensinfonie wird von einem eigentümlichen Naturalismus beherrscht, ihr programmmusikalischer Charakter ist extrem ausgeprägt. Es ist wie traditionelle Filmmusik, nur ohne Film – den muss man sich denken.
Wenn schon, dann ist sie selbst der Film. Sie schildert eine Begehung der Natur durch einen frommen Bürger, und es geschieht Aufschlussreiches dabei. Man kann darüber lächeln, aber immer nur als selbst Ertappter. Ein echter Alpinist bricht vor Sonnenaufgang auf. Strauss wartet diesen ab, bevor er in Es-Dur losstapft. Alle Abenteuer spielen sich in tonaler Geborgenheit ab. Aus dem nächtlichen Nebel in b-Moll bricht die Sonne in A-Dur hervor. Man tritt in rauschendem c-Moll ein in den Wald, wandelt auf moosigem As-Dur, erlebt die in der Sonne funkelnden Wasserfälle in D, danach die Blumenwiese in E-Dur und die Alm-Idylle mit Herdenglocken und Schalmei in Es-Dur, und nach Irrwegen und gefährlicher Stelle mit Tristanklängen tut sich auf erreichtem Gipfel in „majestätischem“ C-Dur die Pracht einer Aussicht oberhalb der Zivilisation auf, im Wortsinne „hymnisch“ erfahren. Und was passiert, wenn dieser der Zivilisation entflohene Bürger längere Zeit mit sich allein da oben steht? Er spürt seine eigene Begrenztheit. Er wird elegisch.
Und dann folgt zwangsläufig ein Gewitter.
Die beklommen-schwüle Stille vor der Entladung bewirkt eine fast körperlich drückende Zeiterfahrung. Wo hat das irgendein Komponist wieder erreicht? Auch das Gewitter selbst ist trotz der Riesenbesetzung höchst ökonomisch komponiert. Aufschlussreich, vielleicht verräterisch ist, wie der Wanderer, vom Sauwetter überrascht, ins Tal flüchtet. Schönberg, und ganz bestimmt Luigi Nono, wären oben geblieben. Und schliesslich im Tal, vielleicht beim Aufwärmen in seiner Villa in Garmisch, glücklich angekommen: der Dankgesang eines Herabgestiegenen – oder Heruntergekommenen? Bei allem Spass an der Ironie: Wir sind vielleicht mit unserem Kopf darüber hinweg, aber nicht mit unserem Unterbewussten. Und wir starren herablassend auf das Programm und übergehen die Intensität dieser Musik als Struktur, vor deren Reichtum unsere zeitgenössischen Klangfarbeningenieure alt aussehen.
Der Schlussteil heisst übrigens „Ausklang“. Schöner Zufall?
Ja, Zufall. Ich habe das erst vor einigen Jahren bemerkt. Mein „Ausklang“ war damals schon 15 Jahre alt. Aber solche Koinzidenzen gefallen mir.
Der andauernde Schönklang in der Aufstiegsphase ist für mich schon etwas fragwürdig. Das ist zwar alles auf höchstem kompositorischem Niveau angesiedelt, aber es wirkt routinemässig abgerufen, wie aus dem Fundus komponiert.
Es ist nicht andauernder Schönklang, und auf mich wirkt diese Konsonanzenwelt absolut authentisch und frisch. Solche Art des Abrufens aus dem sogenannten Fundus gibt es, mindestens so fragwürdig, im Schlusssatz der Siebten von Gustav Mahler, und andere Zeitgenossen waten statt im Schönklang im undurchschaubaren Dissonanzenbrei. Sie haben der Strauss’schen Authentizität nichts voraus! Und ich verehre den Mahlerschen Zwiespalt nicht weniger als den von Strauss. Ihre Versatzstücke, die von der verlorenen oder verlassenen Heimat künden, sind vertraute Signale als evokative Kunstmittel.
Bei Mahler ist es ins Negative gewendet, bei Strauss ins Positive. Es kann ja sein, dass wir heute Mahler nur deshalb mehr schätzen, weil wir aufs Negative geeicht sind.
Wer ist „wir“? Die Adorno-Geprägten? Ich nicht. Und wenn schon „wir“: Wir verdrehen die Augen bei Mahler und kneifen sie bei Richard Strauss skeptisch zusammen. Wir sind taub und voreingenommen.
Spannend finde ich in der „Alpensinfonie“ den Abschnitt „Elegie“ und was ihm folgt. Da wird es plötzlich problematisch, und die Musik stellt Fragen. Vor allem das sind für mich die Stellen, in denen das Heruntersteigen zur Metapher einer zu Ende gehenden Epoche wird.
Als Hörer philosophiere ich nicht. Metaphorisches Komponieren – geschweige metaphorisches Hören – funktioniert niemals. Und ich kann einen solchen kompositorischen Wurf nicht in seine akzeptablen und inakzeptablen Phasen auseinanderdividieren. Der Abschied vom intakten Weltbild durch eine letzte – manchmal auch durch eine allervorletzte – Beschwörung kennzeichnet das Idiom von Strauss. Er geschieht schon beim Aufstieg. Wir sollten diese Strukturen beobachten. Der samtene Klang beim „Eintritt in den Wald“ , die Celesta- und Harfenkaskaden bei den Wasserspielen, sind die oberflächlich? Meinetwegen, aber jede Oberfläche verdeckt etwas. Denken Sie an Schostakowitsch. Der hat ganze Potemkinsche Dörfer komponiert, mit zackigen Marschsignalen, mit der schrill-giftigen Heiterkeit von Piccoloflöten und gackernden Fagotten, und aus jedem Ton sprechen Angst und Katastrophe. Ich denke, so funktioniert Dialektik, um das vergilbte Wort mal wieder zu verwenden. Aber so etwas verlangt genau dieselbe Praxis des wachsamen Hörens, auf die das Verstehen von Musik heute angewiesen ist: Sag’ mir, wie tief du den Kopf in den Sand steckt, und ich sage dir, welche Angst Du hast.
Zur Oberfläche gehört auch der Umgang mit den Almglocken. Das ist ziemlich postkartenhaft.
Postkarte mit einer Art von Schullehrer-Frömmigkeit garniert. Die Konzertkarte wird zur Quittung für die Kurtaxe. Na und? Ich empfehle Respekt und hellhörig mitdenkende Ohren. Auch banal ist komplex. Die Musik strahlt bis heute. Strukturell sind wir ohnehin gar nicht so viel weiter gekommen. Wir fortgeschrittenen Komponisten blicken zwar fleissig in die Abgründe, aber letztlich stehen wir am Geländer der Tonalität und halten uns fest.

An irgendetwas muss man sich wohl festhalten.
Wir brauchen kein Geländer. Wir sollten in uns ruhen. Siehe Cage, siehe Nono.
Unter den gegebenen Bedingungen dürfte das für einen Künstler nicht ganz einfach sein.
Das Bürgertum selber hat ja die Dynamik, dass es aus sich heraustreten, sich aber nicht verändern will. Das heisst, dass es die Relativität und Begrenztheit der Wertvorstellungen in den westlichen Zivilisationen insgesamt mehr und mehr erkennt. Das spricht sich allmählich auch über die Kunst herum. Zur Zeit Beethovens glaubte das bürgerliche Subjekt noch an die Emanzipation von unbefragter Herrschaft, an Ratio und Autonomie. Spätestens seit Marx und Freud musste es mit der Erkenntnis seiner Nicht-Autonomie, seiner Unfreiheit leben lernen. Richard Strauss hält in der Kunst noch an einem ungebrochenen Weltbild fest, vielleicht zynisch und wider besseres Wissen, und kostet es mit allen gastronomischen Freuden bis zur letzten Neige aus. Aber eben deshalb finde ich seine Musik in einem bewegenden und nicht nur intellektuellen Sinn unglaublich lehrreich. Die „Alpensinfonie“ ist dafür das beste Beispiel.
Neben den Stellen, die wir heute vielleicht mit zwiespältigen Gefühlen hören, weil sie für unsere Ohren verbraucht klingen, gibt es in der Alpensinfonie andere Passagen, die durchaus in die Zukunft weisen. Zum Beispiel dieser diatonische Cluster, mit dem das Stück endet.

Mit zwiespältigen Gefühlen höre ich Beethovens Schlusssatz der Neunten und die Achte von Mahler. Und den Grund suche ich dabei allenfalls bei mir selbst. Der quasi arpeggio eingeblendete b-Moll-Cluster kommt schon am Anfang: gerade er eröffnet die Alpensinfonie. (In meiner Klangtypologie aus den sechziger Jahren ist das ein Einschwingklang.)
Solche Klangflächen kommen dann erst wieder bei Lutoslawski oder Ligeti. Strauss setzt zwar am Schluss in Bläsern und Orgel noch den b-Moll-Akkord darüber, aber er verunklart die Tonalität durch die Gleichzeitigkeit aller Skalentöne.
Cluster hat schon Charles Ives geschrieben. Ich würde den Strauss’schen Cluster nicht überbewerten. Er hat die tonale Situation nicht gefährdet. Es ist ein auskomponierter Hall, der hängen bleibt wie der Nebel im Tal. In jeder Kathedrale hört man solche Nachhallflächen. Und als Echo in den Bergen sowieso.
Ein interessanter Punkt für die Interpretation.
Neulich hörte ich die Alpensinfonie wieder einmal im Konzert. Der Cluster blieb fast unbemerkt. Es war nur ein Schleier. Aber ich wünsche mir seine intensive Präsenz. Er wird ja ohnehin gleich wieder verdeckt vom tiefen Blechbläserchoral.
Leider meinen die meisten Dirigenten, sie müssten diese „Unsauberkeit“ schamhaft wegretouschieren.
Ein dirigierender Glenn Gould hätte vermutlich den Cluster in den Vordergrund gerückt. Man könnte mit solchen Elementen doch auch einmal ein bisschen spielen! Und dabei ihren strukturalistischen Aspekt hervorkehren. Wenn dann derselbe Cluster unmittelbar vor dem Gewitter statt von gedämpften Streichern von massiven Bläsern aufgebaut und gehalten wird, spürt man die unerträgliche Schwüle vor dem befreienden ersten Donnerkrachen fast körperlich. Die Körperlichkeit des Klingenden scheint mir in diesem Werk für Strauss singulär zu sein. Keine Pedal-Polster, keine Verzuckerungen. Das gibt’s nicht mal in der „Elektra“.

Ich möchte noch auf Ihre Komposition „Ausklang“ zu sprechen kommen. Es gibt über den Titel hinaus noch andere überraschende Koinzidenzen mit der Alpensinfonie. Bei Strauss machen wir eine Bergwanderung mit und es entsteht eine Episodenform. Sie sprechen in Ihrem Werkkommentar zu „Ausklang“ von einem „Parcours“. Wandert man hier durch Klangzustände hindurch?
Bei „Ausklang“ würde ich nicht sagen, dass ich wandere. Das Material zersetzt sich permanent, es zerfällt. Aus einer Puppe wird ein Schmetterling, der Schmetterling stirbt und wird Staub, der Staub formiert sich zu neuer Materie, und dann wird die Materie konsistent und ergibt wieder etwas anderes.
Ein metamorphotischer Prozess?
Genau. Das passiert eigentlich in allen meinen Stücken, immer wieder auf andere Weise. Die Dinge gehen auseinander hervor, man betrachtet sie aus stets wechselndem Blickwinkel und wechselnder Distanz. Ich fokussiere etwas, das zunächst nur ein Element in einem Riesenchaos ist. Wenn ich näher herangehe, wird es grösser, und dann sehe ich es als Gestalt. Gehe ich noch näher, sehe ich seine Oberflächenbeschaffenheit. Dringe ich dort ein, begegne ich erneut einem eigenen Kosmos. In „Ausklang“, auch in einem Stück wie „Accanto“, ergibt sich so eine permanente Verwandlung der Aggregatszustände. Das meint ja das Wort Metamorphose: die Sache verwandelt sich in einer dynamischen Bewegung.
Noch eine andere Parallele: die Alpensinfonie endet mit diesem diatonischen b-Moll-Cluster der Streicher und einem darüber gesetzten b-Moll-Akkord. In „Ausklang“ hört man am Schluss einen E-Dur-Akkord, der in den Hallraum eines tiefen Oktavclusters des Klaviers eingebettet ist.
Stimmt – zumal b-Moll und E-dur antipodische Verwandte sind. Ich habe in „Ausklang“ einmal mehr versucht, vertraute musikalische Elemente, in diesem Fall intervallisch und figurativ bestimmte Gestalten, sozusagen „Pianistisches“, in einen energetisch bestimmten, quasi körperlich wirkenden Zusammenhang zu bringen. Ich wandle sie also ab in ihrer Eigenschaft als geschlagene und mehr oder weniger lang verhallende Saitenklänge. Akkorde sind aber entweder dissonant oder konsonant, das heisst, sie entstammen der Generalbasspraxis im weitesten Sinne. Und selbst wenn ich in einer Klavierkomposition den Pianisten einen Zehnklang spielen lasse – ob trocken, verhallt oder künstlich verlängert spielt keine Rolle –, stehe ich mit einem Zeh im tonalen Bereich. Ich kann mich demgegenüber dumm stellen und beim Schreiben auf irgendein abstraktes Konstruktionsgesetz starren – im Kern wird die Musik latent tonal gepolt bleiben. Oder aber ich akzeptiere diese Vorgabe und gewinne etwas Neues aus altem Material: Ich fokussiere dessen energetische Eigenschaften und stufe sie radikal ab. Dann steht zum Beispiel an einem Ende der Skala ein in der Tonhöhe unbestimmter Schlag ins Gehäuse des Flügels und irgendwo der angeschlagene Cluster als zugleich geräuschhafter und chromatisch total gesättigter Akkord. Wenn ich den dann noch quasi filtere, indem ich von zehn angeschlagenen Tönen sagen wir sieben wegnehme, komme ich zu wie auch immer konsonant oder dissonant bestimmten Dreiklängen, die – als gefilterte Cluster – sich nicht mehr aus der Tonalität bestimmen, sondern zum Beispiel aus ihrer Präsenz als Subtraktions-Ergebnis von charakteristisch traktierten Saiten. Der E-Dur-Sextakkord am Schluss ist der Spezialfall eines solchen gefilterten Akkords.
Wollen Sie damit die Perspektive nochmals woanders hinlenken und das am Schluss wie eine offene Frage stehen lassen?
Es ist ein ambivalenter Gruss an unsere vertraute Musizier- und Hörpraxis. Der Dreiklang erscheint dreimal, jedes Mal verbunden mit einem komplementär fungierenden Fünfklang aus Terzen und einer anderen Form von Nachhall. Beim dritten Mal wird der Hall selbst subtrahiert und der E-Dur Akkord steht nackt da. Das ist ein Gestus wie am Ende von „Paganini“ in Schumanns „Carnaval“. Meine Musik reagiert darauf, dass sie in einem Terrain wildert, das wir zu kennen und in dem wir uns zuhause glauben. Damals schrieb ich das noch mit einem gewissen Herzklopfen. Aber solches Spiel mit den Requisiten aus unserer tonalen guten Stube wurde Mitte der achtziger Jahre für mich immer wichtiger, um Manierismen zu entgehen. Denn das Problem ist: wenn ich alles Vertraute als bloss Vernutztes aussperre, gerate ich beim Komponieren in ein letztlich ungefährliches und unberührtes, sprich: erneut „intaktes“ Geräuschparadies – eine neue falsche Idylle. Und Rückblick ist etwas anderes als Rückschritt.
© 2005 Max Nyffeler
Das Gespräch ist in leicht gekürzter Version erschienen im Programmheft des Lucerne Festivals zum Konzert am 24. 8.2005 mit der Alpensinfonie von Richard Strauss und „Ausklang“ von Helmut Lachenmann.
Siehe auch:
Helmut Lachenmann und die Transzendenz hier auf beckmesser.info
Dossier Lachenmann auf der alten Seite beckmesser.de