Aisha Deme über die Rolle der Frau in der Musik Afrikas

Aisha DemeAisha Deme, wie würden Sie die soziale Stellung der Frau im Senegal beschreiben?

Die Gesellschaft übt bei uns durch die Erziehung einen starken Druck auf die Frauen aus. Die Frau muss sich zuerst um das Haus kümmern, um den Ehemann, die Kinder, die Familie, und zugleich gehen wir zur Arbeit. Wir sind sehr aktiv, und wir kämpfen. Aber man beobachtet und kritisiert uns. Wenn eine Frau spät von der Arbeit nach Hause kommst, gilt sie nicht als seriös, selbst wenn sie auf einer Bank arbeitet. Von klein auf sind wir verpflichtet, alles zugleich und gut zu machen – zu Hause und in der Schule, und dann wollen wir von allen Geschwistern auch noch die Beste sein. Das ist bewundernswert. Wir machen das wie die Frauen anderswo auch. Aber hier gibt es diese starken gesellschaftlichen Erwartungen. Dem Druck widerstehen nicht alle Frauen.

Und wie sieht das in der Musik aus?

In der Musik ist es noch schwieriger, auch für die Männer. Wer im kulturellen Sektor arbeitet, wird oft schief angesehen. Für eine junge Musikerin ist es besonders kompliziert. Selbst wenn man sie ernst nimmt – im Moment der Heirat wird erwartet, dass sie die Musik an den Nagel hängt. Es ist deshalb auch nicht einfach, sein Kind eine Musikausbildung machen zu lassen. Die Leute wollen, dass ihre Kinder studieren oder im Büro arbeiten.

Das ist vermutlich noch an vielen Orten so. Aber in Europa hat eine Frau in der Regel immer noch mehrere Möglichkeiten. Hier im Senegal zeigen sich die Probleme offenbar in zugespitzter Weise.

Ja, alles ist radikaler. Man muss sich entscheiden: Ja oder Nein. Gestern beim ACCES-Kongress saß auf dem Panel zum Thema „Die Frau in der Musik“ die junge Maah Khoudia Keïta, eine Bassistin. Sie ist die einzige Bassistin im Senegal, vermutlich sogar in ganz Westafrika. Ein Ausnahmefall. Sie war hier mit ihrem Vater, und das ist sehr selten bei uns. Sie wird von ihrer Familie stark unterstützt und gefördert, was großartig ist. Das wirkt als Beispiel und stachelt andere Frauen an, es ihr gleichzutun, und andere Familien sagen: Schau her – ihr Vater begleitet sie und sie hat Erfolg!

Auf diesem Panel war auch die Rede davon, dass alle Veränderungen zu Hause beginnen müssen.

So ist es. Es ist zuallererst eine Frage der Erziehung und der Perspektive – wie man die Dinge sieht.

Es kommt also auf die Eltern an.

Genau. Wenn sie zu ihrer Tochter sagen: „Du bist eine Frau, deswegen darfst du keine Musik machen“, und ihre Brüder bekommen das mit, dann ändert sich nie etwas. Das beginnt zu Hause ganz früh und betrifft nicht nur in der Musik, sondern die Erziehung der Frau ganz allgemein. Aber wir kämpfen. Die Frauen hier sind bewundernswert!

Musée de la femme, Dakar
Musée de la femme, Dakar

Im „Musée de la femme“ hier in Dakar kann man sehen, dass die senegalesische Frauenbewegung schon eine lange Tradition hat.

Absolut. Schon in den sechziger Jahren haben die Frauen hier gekämpft, und das „Musée de la femme“ widmet diesen Anfängen gerade eine Ausstellung. Die erste Journalistin im Senegal, Annette Mbaye d’Erneville, leitete damals eine Zeitschrift namens AWA. Darin sind die Anfänge dokumentiert.

Zeitschrift AWA
Erinnerung an die Zeitschrift AWA (Musée de la femme, Dakar)

Es gab ein Komitee von intellektuellen Frauen, Anwältinnen und Journalistinnen, und sie begannen Romane und anderes zu schreiben. Diese Frauen haben uns inspiriert, wir haben ihre Bücher gelesen. Zum Beispiel die sehr bekannte Romanautorin Mariama Bâ: Ihr feministischer Roman „Une si longue lettre“ („Ein so langer Brief“) hat inzwischen ganze Generationen von Frauen beeinflusst. Das begann damals in kleinen Schritten und hat sich dann mehr und mehr ausgebreitet, in der Kultur und in anderen gesellschaftlichen Bereichen.

Überblick über die Entwicklung des Feminismus im Senegal (Musée de la femme, Dakar)

Ich finde die Feministinnen hier im Senegal sympathischer als in Europa, sie sind weniger aggressiv.

(Lacht)

Mir gefiel, dass im gestrigen Panel zum Thema „Frau und Musik“ eine Diskussionsteilnehmerin sagte: Die Frauen müssen gemeinsam mit den Männern für Änderungen sorgen. Politik gegen die Männer…

…hat keinen Sinn.

Man schafft sich damit nur Feinde.

Klar. Es geht nicht gegen die Männer, der Kampf muss miteinander und nicht gegeneinander geführt werden. Das ist die erfolgreichere und, wie ich finde, auch die subtile und schlauere Methode.

Wie alles scheinen mir auch feministische Bestrebungen hier viel stärker im täglichen Leben verwurzelt zu sein als in Europa, wo immer die Gefahr des abgehobenen Theoretisierens besteht.

Viele Frauen hier wissen gar nicht, dass sie Feministinnen sind. Im Alltag gibt es Dinge, gegen die man sich einfach wehren muss, ohne sich groß als Feministin zu deklarieren. Etwa wenn es um eine Ungerechtigkeit gegen eine Frau geht. Da beteiligen sich dann sogar die Männer.

Das Interview mit Aisha Deme wurde am 19.11.2017 in Dakar auf Französisch geführt. (Übersetzung M.N.)

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