Ein schönes Bonmot zur Dauerkrise der Tonträgerindustrie: „Heute könnte man in Abwandlung eines Wortes von Karl Valentin sagen: Es ist schon alles aufgenommen worden, nur noch nicht von allen.“ Das Zitat stammt von Andreas Spreer, einem Insider der Branche. Zum fünfundzwanzigjährigen Jubiläum seines Labels TACET zieht er Bilanz und stellt illusionslos fest: „Einen Künstler A mit dem Programm B in einem Saal C so zu konservieren, dass immerhin die Töne gut zu erkennen sind, das bietet mittlerweile fast jedes Handy. Warum dafür Geld ausgeben? Ist der Künstler berühmt und hat er etwas Persönliches zu sagen, dann erscheint ein Konzertbesuch allemal lohnender.“
Doch Spreer macht nicht in wohlfeilem Pessimismus. Er gehört zu jener kleinen, unverdrossen aktiven Gruppe von Plattenproduzenten, die ihre Arbeit im Schnittpunkt von Musik und Technik nicht einfach als Routine-Business, sondern mit Engagement für die Sache und einer guten Portion Leidenschaft betreiben. Mit klassischem Handwerkerstolz stellt er fest: „Als Tonmeister konnte ich ‚die Platte’ noch nie als einen schlechten Ersatz für das Live-Konzert akzeptieren. Ich habe stets versucht, sie als eigenes künstlerisches Medium zu betrachten. Heute mehr denn je kommt es darauf an, Werke und Interpretationen auf besondere, aber sinnvolle Art zu inszenieren und zwar so, wie es im Konzert nicht möglich ist.“ Es gälte, den Künstler zu unterstützen, ihn herauszufordern, ihm die Unterschiede zwischen Konzert und Platte zu zeigen. Spreer ist überzeugt: Solche anspruchsvollen Produktionen finden immer ihr Publikum.
Aus diesen Äußerungen spricht der Optimismus des erfahrenen Fachmanns und das Wissen darum, dass Konzert- und Medienwirklichkeit eben zwei verschiedene Dinge sind. Und wer sich dessen bewusst ist und beides auf entsprechende Weise zu nutzen versteht, nimmt bekanntlich auch die akustische Umwelt differenzierter und vielleicht sogar kritischer wahr. Eine Programmatik, die für aufgeklärte Macher, Musiker und Hörer gleichermaßen gilt. In diesem Sinn wünschen wir dem Label TACET, stellvertretend für alle engagierten Produzenten, weiterhin frischen Mut und viel Erfolg, und uns Hörern viele spannende neue Aufnahmen!
Max Nyffeler
Dezember 2014