Peter Ruzicka 70

Mit zwei kleinen, aber feinen Konzert-Events wurde in München der 70. Geburtstag von Peter Ruzicka begangen. In einem Gesprächskonzert im Literaturhaus kamen drei Kammermusikwerke von Ruzicka zur Aufführung, ergänzt durch die Serenade für Violoncello solo von Hans Werner Henze und eine Uraufführung des jungen Italieners Antonio Covello. Einen Tag später folgte in der Black Box im Gasteig ein Kammerkonzert. Beide Konzerte standen unter der Leitung von Peter Tilling, der sich in der Serenade von Henze auch als ausgezeichneter Cellist und mit einer instrumentalen Version des Klavierstücks „Nuages gris“ von Franz Liszt als Komponist präsentierte.

Peter Tilling war auch Ruzickas Gesprächspartner. Er nahm die aufgeführten Stücke zum Ausgangspunkt für eine künstlerisch-biografische Befragung, die Ruzicka, der sich als Person in der Öffentlichkeit stets diskret zurücknimmt, zu einer ungewohnten Offenheit animierte und interessante Einblicke in sein Selbstverständnis als Komponist, Dirigent und Musikmanager ermöglichte.

„Esta noche“ ist das erste veröffentlichte Werk von Peter Ruzicka, komponiert 1967 mit neunzehn Jahren. Das kurze Stück für Tenor und vier Instrumente war nun mit dem Solisten Bernhard Berchtold wieder zu hören, nebst „Tombeau“ für Flöte(n) und Streichquartett sowie den „Drei Stücken“ für Klarinette solo in einer Neukomposition von 2012, hinreißend geblasen von Markus Schön.

„Esta noche“, eine „Trauermusik für die Opfer des Krieges in Vietnam“ über einen Text von Jesus Lopez Pacheco, ist kein Proteststück, sondern eine ausdruckstarke und zugleich introvertierte Klage. Ruzicka erinnerte sich nun, dass Hans Werner Henze, dem er es zwei Jahre später vorlegte, befand, hier fehle der revolutionäre Impetus. Das kurze Stück für Tenor und vier Instrumente, das nun mit dem Solisten Bernhard Berchtold wieder aus der Versenkung geholt wurde, ist charakteristisch für eine kompositorische Haltung, die Ruzicka dazu trieb, 1968 von Paul Celan nicht nur die „Todesfuge“ zu vertonen, sondern den Dichter auch in Paris aufzusuchen, wenige Wochen vor dessen Tod.

Über seine Begegnung mit Paul Celan äußerte sich Ruzicka in München aus der Distanz von fünfzig Jahren freimütig. O-Ton Ruzicka. „…der die Gesänge zerschlug“, so der Titel der von Ruzicka hier erwähnten Kantate, wurde für Dietrich Fischer-Dieskau geschrieben und 1985 uraufgeführt. Nun erfuhr sie in München mit dem Bariton Holger Falk und dem ensemble erranti unter Peter Tilling eine packende Wiedergabe. Angesiedelt zwischen düster-abgründigen Klängen, schreckhaft aufblitzenden Gesten und wüsten Tuttiausbrüchen, besitzt diese Musik stellenweise geradezu selbstzerstörerische Züge.

Hier hören Sie Ruzickas Kommentar zur Celan-Kantate.

Porträtkonzert Peter Ruzicka
Peter Tilling, Peter Ruzicka, Holger Falk (von links), Mitglieder des ensemble erranti. Nach der Aufführung von „…der die Gesänge zerschlug“.

Auf die Bemerkung, er habe doch eigentlich eher Trauermusiken als heitere Werke geschrieben, entgegnete Ruzicka, er sei kein trauernder Komponist, er könne auch anders. Aber ein heiteres Werk sei natürlich das Schwerste. „Christian Thielemann hat sich seit Jahren so etwas gewünscht. Und nun werde ich es versuchen. Er wünscht sich eine Ouvertüre, die am Beginn eines Programms stehen kann oder auch als Zugabe geeignet ist, für seine vielen Tourneen mit der Staatskapelle.“

Auch auf seine Beziehung zur Stadt München kam Ruzicka ausführlich zu sprechen. Sie begann mit dem Studium der Rechts- und Musikwissenschaft, schlug sich in Aufführungen seiner Werke und in Auftritten als Dirigent nieder und verdichtete sich in den Jahren 1996-2014, als er als Nachfolger von Hans Werner Henze die Musiktheaterbiennale leitete. Henze gehörte zu den prägenden Figuren in Ruzickas Leben. Schlüsselerlebnis war die Salzburger Aufführung der „Bassariden“, die er als Jugendlicher besucht hatte. Ruzicka erinnerte sich jetzt daran, als ob es gestern gewesen wäre.

Die beiden Münchner Konzerte und das Gespräch mit Peter Tilling waren aufschlussreich, beleuchteten sie doch spotlichtartig einige entscheidende Momente im künstlerischen Werdegang von Peter Ruzicka. Wer sich näher mit dem Thema befassen möchte, findet im soeben in der edition text+kritik erschienenen Band „Peter Ruzicka. Komponist, Dirigent, Intendant, Weggefährte“, Untertitel „Passagen (– ins Innere)“ reichlich Lesestoff. Die von Auli Eberle herausgegebene Aufsatzsammlung enthält ein künstlerisches Selbstporträt von Peter Ruzicka und zwei Dutzend Beiträge von Peter Gülke über Christian Thielemann bis zu Komponisten wie Manfred Trojahn und Claus-Steffen Mahkopf.

Die beiden Konzerte fanden am 8. und 9. Juli 2018 in München im Literaturhaus und in der Black Box im Gasteig statt.

Der Klarinettist Markus Schön, Interpret der „Drei Stücke“, verlässt das Podium.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.